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Die Erlösung (4/4)

Jesu letzte Leidensstunden

Die letzten Leidensstunden Jesu waren der größte Kampf, der je auf Erden ausgefochten wurde. Was genau geschah in der Zeit kurz vor dem Tod Jesu? Am letzten Abend vor seinem Tode war Jesus mit seinen Jüngern im Abendmahlsaale. Er wusste bereits von seinem nahenden Leiden und seinem Tod. Er war von den Geisterboten Gottes unterrichtet worden, dass bereits alle Vorbereitungen zu seiner Gefangennahme und beschleunigten Hinrichtung getroffen worden waren.

Beim Abendmahl saßen sie nicht um einen Tisch, sondern lagen in Gruppen zu je dreien auf Tierfellen, deren Köpfe zu einem Ruhepolster erhöht waren. Dabei stützten sie sich mit einem Arm auf dem Polster ab und mit dem anderen aßen sie die Speisen, die vor ihnen standen. Bei Christus lagen Johannes und Judas, wobei Johannes mit seinem Kopf sehr nahe an der Brust des Meisters lag. Auf der anderen Seite lag Judas.

Jesus wusste, welcher seiner Jünger ihn verraten würde und es schnitt ihm tief ins Herz, seinen Blick immer wieder auf Judas zu richten. Judas selbst wagte nicht, seinem Meister in die Augen zu sehen. Jesus liebte ihn dennoch: "Sein Herz hing mit Liebe auch an diesem verlorenen Bruder."1) Da er hellsehend war, konnte er auch das schlimme Ende des Judas sehen, wie er sich in Erkenntnis seiner Freveltat erhängte und Luzifer schon neben ihm wartete, um seinen Geist mit in die Tiefe zu nehmen. Dies betrübte ihn umso mehr.

Wie war es mit den anderen Aposteln? "Satan hat verlangt, euch sieben zu dürfen wie den Weizen." (Johannes 22,31) Satan hatte erst jetzt "durch eine Offenbarung Gottes erfahren, was bei diesem Entscheidungskampfe für ihn auf dem Spiele stand. Die Gerechtigkeit Gottes war es Luzifer schuldig, ihn nicht länger darüber im unklaren zu lassen, dass es sich in dem nun beginnenden Kampfe zwischen ihm und Christus um die Herrscherrechte der Hölle über die gefallenen Geister handle. Gott offenbarte ihm, dass Christus, falls er in dem nun beginnenden Todesleiden standhaft blieb, nachher als Geist im Verein mit den himmlischen Legionen gegen die Hölle zum Angriff schreiten, ihn – den Fürsten der Hölle – besiegen und ihm einen wesentlichen Teil seiner Herrscherrechte entziehen werde." (Greber, a.a.O., S.342)

Deshalb verlangte Satan, dass Gott seine Hand von Jesus wegziehe und ihm auch keine menschliche Hilfe gewähre. Er wollte, dass die Hölle mit aller Macht gegen Jesus vorgehen dürfe. Um ihm diese menschliche Hilfe zu nehmen, versuchte er alle Apostel. Jesus wurde traurig, als er hellsehend den geistigen Schicksalsfilm vor seinen Augen sich abspielen sah und erkannte, dass alle Jünger fliehen würden aus Angst um das eigene Leben.

Es war Satans Forderung, dass alles seelische und körperliche Leid der Erde sich in nur wenigen Stunden zusammengedrängt über dem Haupte Jesu zusammenschlagen sollte und gleichzeitig die Hölle gegen ihn und alle seine Anhänger vorgehen durfte. "Gott erfüllte das Verlangen Satans mit der einzigen Ausnahme, dass er sich eine Stärkung der rein körperlichen Lebenskraft Jesu vorbehielt. Denn ohne diese Stärkung wäre Christus schon im Garten Gethsemane gestorben, und sein Leidensweg hätte sich nicht vollenden können. [...] Satan sollte nicht sagen können, er habe diesen Menschen deshalb nicht zu besiegen vermocht, weil ihm von anderer Seite zu viel Hilfe zuteil geworden sei." (Greber, a.a.O., S.343ff.)

Bereits beim Abendmahl blutete Jesu Herz aus tausend Wunden. Es fehlte ihm dazu in all seinem Leiden jede Hilfe, die sonst ein Mensch in solchen Stunden hat. Später in der Nacht im Garten Gethsemane griff Satan Jesus erneut mit all seiner Macht an. Er ließ den gesamten Leidensfilm der kommenden Stunden vor den Augen des hellsehenden Jesus ablaufen: die Gefangennahme, die Flucht der Jünger, die Verleugnung des Petrus, das blutdürstige Geheul des Volkes, welches ihm noch vor kurzem Hosanna zugerufen hatte, die Geißelung, das Todesurteil, die furchtbarsten Misshandlungen, die Dornenkrönung, den Kreuzweg, die Kreuzigung.

"Und gleichzeitig hämmerten die Geister der Trostlosigkeit und Verzweiflung die entsetzlichsten Gedanken in den Geist dieses von allen Verlassenen. Seine Pulse rasten, sein ganzer Leib erzitterte im höchsten Fieberschauer, das Herz drohte zu zerspringen. Todesangst befiel ihn, und mit dem Angstschweiß wurden auch Blutstropfen durch die Poren hindurchgepresst und rannen zur Erde. Die Jünger schliefen, während sich das Furchtbare bei ihrem Meister abspielte." (Greber, a.a.O., S.344)

In den Evangelien sind all diese Vorkommnisse nur relativ kurz erwähnt. Die qualvollen Stunden in den nassen und dumpfen Verliesen in den Kellern der Statthalterei wurden vollständig übergangen. Die Folterer streuten Salz in seine von der Geißelung offenen Wunden und banden ihm die Hände, damit er sich das Salz nicht entfernen konnte, um sich Linderung zu verschaffen.

"Nie hat ein Mensch eine solche Marter zu erdulden gehabt, wie dieser menschgewordene Gottessohn. Die Hölle hat durch ihre irdischen Werkzeuge bei ihm das Äußerste versucht, weil sie ihn als den größten Gegner erkannte, der auf die Erde kommen konnte. Aber das, was sie ihm an leiblichen Schmerzen bereitete, kam dem nicht gleich, was er an seelischen Leiden zu tragen hatte. Und zwar lasteten die körperlichen und seelischen Qualen gleichzeitig auf ihm. Dazu fehlte ihm bis zum letzten Augenblick jeder menschliche Trost und, was noch schlimmer war, auch jede göttliche Hilfe." (Greber, a.a.O., S.344f.) Sogar die Engel mussten ihn in den Stunden vor seinem Sterben verlassen.

Christi Abstieg in die Hölle, sein Kampf und sein Sieg

Durch sein Hinscheiden am Kreuz, ohne von Gott abgefallen zu sein, hatte Christus den ersten Teil seiner Aufgabe vollbracht. Jetzt, nachdem er von seinem menschlichen Leibe befreit war, konnte der zweite Teil beginnen. Mit Unterstützung der himmlischen Legionen, die er sich durch seine Treue zu Gott bis zum letzten Atemzug verdient hatte, stieg er in die Hölle hinab und nahm den Kampf gegen Luzifer, dieses Mal im Angriff, auf. Es war ein Kampf ähnlich wie bei der Revolution in den Himmeln, der zum Sturz von Gott geführt hatte. Dieser Kampf fand jetzt aber im Reich Satans statt. Es war sowohl ein Einzelkampf zwischen Christus und Luzifer als auch zwischen den Massen der himmlischen Legionen und denen der Finsternis.

Die himmlischen Legionen siegten und Luzifer bebte unter der Vorstellung, dass er jetzt all seiner Herrscherrechte beraubt würde. Er flehte um Schonung. Christus aber ging es nicht darum, ihm sämtliche Herrscherrechte zu entziehen. Er wollte seine Rechte nur einschränken. Er wollte sie auf die Geister beschränken, die Satan der Gesinnung nach angehörten. Satan dürfte wohl weiterhin durch Betörung und Verführung versuchen, die abgefallenen Geister an sich zu fesseln, aber nicht mehr mit Gewalt wie bisher.

Satan musste einwilligen – er hatte ja viel härtere Bedingungen erwartet. Er wusste nämlich, dass er von Gott vernichtet werden könnte.

Damit war das Erlösungswerk vollbracht. Die gähnende Kluft zwischen dem Reich der Finsternis und dem Reich Gottes war überbrückt. Jeder, der von jetzt an aus der Fremdenlegion Satans über die Brücke in das Reich Gottes gehen wollte, konnte dies tun. Kein Wächter des Totenreichs durfte ihn mehr zurückhalten.

Christus – auferstanden von den Toten

Christus war der erste der Auferstandenen, obgleich er nie abgefallen war. Er ging als erster über die von ihm gebaute Brücke vom Totenreich in das Reich der Lebenden. Christus war aber nie abgefallen – wie kann es da sein, dass er auferstanden ist?

Schon an anderer Stelle wurde der Abfall der Geister mit dem irdischen Beispiel des Desertierens verglichen. Die Geister waren beim Abfall vergleichbar mit den Soldaten einer Armee, die desertieren. Selbst wenn sie nach ihrem Überlaufen zum Feind zurück wollten, könnten sie es nicht mehr, da sie der Feind festhalten würde und ein Heimgehen nicht zulassen würde.

Christus hingegen war tatsächlich nie abgefallen. Er war also nie "desertiert". Wenn man das obige Beispiel beibehalten möchte, so ist er vielleicht vergleichbar mit einem Einzelkämpfer, der zwar äußerlich in das Gebiet des Feindes eindringt und dort alles zu ertragen hat, da der Feind mit seinem Körper tun und lassen kann, wie es ihm beliebt. Innerlich, also der Gesinnung nach, blieb Jesus aber seinem Herrn, seinem Gott treu.

Durch seinen irdischen Tod war er dann auch geistig, also mit seinem geistigen Leibe im Reich des Todes, ohne jedoch selbst geistig gestorben, also abgefallen zu sein. Damit er wieder in das Reich der Lebenden zurück konnte, sandte ihm Gott Legionen des Himmels. Mit diesen konnte er auch im Reich des Todes den Sieg erringen, die Brücke vollenden und über sie als Anführer des Zugs der bereits für den Heimgang bereiten Seelen aus dem Reich des Todes in das Reich der Lebenden gehen. Christus war also nur dem menschlichen Leibe nach tot. Geistig war er zwar nicht tot, durch seinen Abstieg in die Hölle kam er aber einem Toten gleich.

Der sich Greber kundgebende Engel erklärt dazu: "Wenn es hier von Christus heißt, dass Gott ihn lebendig gemacht habe, so ist das nicht so zu verstehen, als sei Christus auch geistig tot gewesen. Aber er war im Reiche der geistig Toten und äußerlich vom Reiche Gottes getrennt. Also der Wirkung nach war Christus in diesen Höllensphären einem geistig Toten gleich, wenn er auch selbst nicht geistig tot war. Gott machte ihn insofern wieder lebendig, als er ihm die Kraft zum Siege über die Mächte des Totenreichs verlieh und ihn dadurch in das Reich des himmlischen Lebens zurückführte." (Greber, a.a.O., S.384)

Christus ist also tatsächlich von den Toten auferstanden, ohne selbst jemals geistig gestorben zu sein.


1) Johannes Greber – Der Verkehr mit der Geisterwelt Gottes, seine Gesetze und sein Zweck. Selbsterlebnisse eines katholischen Geistlichen, 8. Auflage 1985, Johannes Greber Memorial Foundation, New York, S.342